Thema schlägt Ziel - das ist laut Dr. Hermann Kolesch der touristischer Trend, auf den sich Städte und Gemeinden einstellen müssen, wenn sie im Wettbewerb der Fremdenverkehrsregionen erfolgreich sein wollen. Früher sei man »an die Adria« oder »nach New York« gereist, heute sei nicht mehr entscheidend, wohin man fahre, sondern was man dort erlebe. »Südafrika, Burgund, Kalifornien oder eben Franken - sie alle eint das Thema Wein und Genuss«, stellte der Leiter der Abteilung Weinbau der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim eine selbstbewusste Reihe auf. Kolesch informierte am Dienstagabend im Bürgstadter Weinkulturhaus über Strategien, Konzepte und Projekte zur Entwicklung des Weintourismus in Franken. Die Unabhängige Wählergemeinschaft Bürgstadt (UWG) als Veranstalter hatte damit offenbar das richtige Thema getroffen, denn zu dem Vortrag des Oenologen waren gut 50 Zuhörer, darunter viele Winzer, gekommen. Weil aber Wein international erlebt werden könne, so die weiterführende These Koleschs, sei es entscheidend, was den Gästen in den jeweiligen Regionen geboten werden. Regionalität, Individualität und Authentizität sind laut Kolesch die Kriterien, mit denen gerade Franken punkten könne: »Bei uns steht hinter jedem Wein noch ein Gesicht«, nannte er als Vorteil die vielen kleinen, selbstständigen Weinbaubetriebe der Region. Deshalb gab er den Winzern einen Rat seines Vaters weiter: »Wenn Du im Weinberg arbeitest, sprich jeden Fremden an. Das ist ein Kunde.« Mit rund 4800 Betrieben in 270 Weinorten sei Franken unglaublich vielfältig, obwohl seine 6300 Hektar Reben nur 0,08 Prozent der weltweit 7,9 Millionen Hektar Weinanbauflächen ausmachten. Über den Preis, so der Experte, könnten die fränkischen Winzer nicht auf den Weltmärkten konkurrieren. Das verdeutlichte er mit einer Zahl vom hart umkämpften, nationalen Weinmarkt. Laut Kolesch liegen im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel 75 Prozent der verkauften Weinflaschen in der Preisklasse unter 1,99 Euro. Vermarktungsstrategie der fränkischen Winzer könne es daher nicht sein, mit diesen Preisen mitzuhalten, sondern den Kunden »einen gefühlten Mehrwert« zu verschaffen. »Wichtig sind die Geschichten, die wir um den Wein herum erzählen«, sagte Kolesch und zitierte dazu das Ergebnis einer Studie der Universität Paderborn: Wein allein generiert noch keinen Tourismus, lautete deren klare Feststellung. Der Wein sei nur der Katalysator, das Medium, um Urlaubern ein Ziel attraktiv zu machen, er müsse deshalb in alle anderen Angebote der Region eingebunden werden. Kolesch forderte die Winzer unter seinen Zuhörern eindringlich auf, ihr Wissen im Kontakt mit den Besuchern einzusetzen. Der weltgrößte Weinproduzent, der Kalifornier Ernest Gallo stelle seinen Betrieb als Familienunternehmen dar, obwohl sein Weinausstoß die Jahresmengen aus dem gesamten Franken um mehr als das Zehnfache übersteigt. »Herrn Gallo werden Sie beim Spaziergang durch die Weinberge nie treffen, unsere Winzer schon«, Mit der Ausbildung von Weinerlebnisführern und Weindozenten setzt der fränkische Weinbauverband schon seit einigen Jahren auf dieses Pferd und hat überdies begonnen, auch Servicekräfte der Gastronomie entsprechend zu schulen. Weinlehrpfade, Häckerwirtschaften, Ausschankmöglichkeiten in den Weinbergen und die Vinotheken und Weinkulturhäuser seien weitere gute Möglichkeiten, Reisenden nachhaltige emotionale Eindrücke zu verschaffen. Dazu bedürfe es gemeinsamer Anstrengungen aller Akteure: Weinbauverband, Winzer, Bezirksregierung, Tourismusverband, Hotels und Gastronomiebetriebe, Amt für ländliche Entwicklung und Landwirtschaftsministerium müssten ihren Teil dazu beitragen, dass das Produkt Wein durch vielfältige Dienstleistungen ergänzt und begleitet wird. Auch für die Weinbaubetriebe selbst sei es sinnvoll sich zu »Volldienstleistern« zu entwickeln: Kellerführungen, Weinseminare, eigene Gastronomie, Gästebetten, Tagungsräume seien Bausteine auf dem Weg dazu. Der von Kolesch propagierte »gefühlte Mehrwert« wird erarbeitet in der persönlichen Beziehung zwischen Anbieter und Gast. Hier sieht der Oenologe die Herausforderung und die Chance des fränkischen Weinbaus und der Region als Tourismusziel. Georg Kümmel
Weitere Informationen finden sie hier: Diese beiden Präsentationen entsprechen inhaltlich dem Vortrag bei unserer Sitzung am 16.11.2010
Fränkischer Weintourismustag 2009
Wein Schöner Land (Reisen zum Wein)
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